Hoffnung im Blick mit Sara Mously
Die Journalistin und freie Beraterin arbeitet als Redakteurin bei Harvard Business manager. Die Lieblingsthemen der Diplom-Psychologin sind Unternehmenskultur, Human Ressources und Diversity. Als ...
Beitrag lesenAlle Welt spricht von Midjourney, Photoshop Beta & Co. Die Euphorie ist ebenso gross wie die Verunsicherung. Im neuen digitalen Austauschformat „Zukunft, Trends & Diskurse“ gehen wir ausgewählten Fragestellungen aus der Kommunikationspraxis auf den Grund. Im Juli luden wir den Bildexperten Alexander Karst ein, seine Sicht auf „KI in der Bildwelt“ in einem Impulsvortrag zu teilen. Anschließend stand er uns für ein Interview für unseren Wissensblog #neugierigbleiben zur Verfügung.
Lassen Sie mich, um diese Frage zu beantworten, erst einen Blick zurückwerfen. Das Internet hat uns 1995 eine ganz neue Welt eröffnet: JPGs waren plötzlich unbegrenzt kopierbar, Bilder mussten für Collagen nicht mehr ausgeschnitten werden. Das Kopieren war zwar nicht legal, aber möglich. Professionelle Fotografen bekamen um 2005 mit der Erfindung von Fotolia und anderen Konkurrenz: Plattformen für lizenzfreie Bilder, die Bilder erstmals für jeden einsetzbar und erschwinglich machten, aber auch für Hobby-Fotografen als Verkaufsplattform offenstanden. Die sozialen Medien auf Smartphones wurden 2008 die neue Konkurrenz zu klassischen Medien und brachten eine nie gekannte Bilderflut. Und heute kann jeder mit künstlicher Intelligenz wie Midjourney «Fotos» generieren. Die sozialen Medien haben das Veröffentlichen «demokratisiert»; und KI das Schaffen.
Jetzt zu Ihrer Frage: KI kann vieles – aber nicht fotografieren. KI erzeugt Bilder und keine Fotos. Fotos sind (ein begrenzter Ausschnitt der) Realität. Das können uns generierte Bilder nicht geben. Sicher ist: KI begleitet uns als Konsument:innen. Wir müssen gerade entscheiden, ob wir durch eine irreale, fiktive Welt gehen wollen - oder durch eine reale. Ich weiss, wie ich mich entscheide. Das ist auch die Antwort auf Ihre Frage: Nein, auch in Zukunft wird es nicht nur generierte Bilder geben. Mindestens dort, wo es noch eine freie Presse gibt, werden nur Fotos Informationen über die Realität liefern.
Wir werden für unsere Medien eine Balance finden zwischen echten Bildern, die wir fotografieren bzw. suchen, und generierten, die wir prompten. Wir werden auch lernen müssen, richtig zu prompten. Hier kommt es vor allem darauf an zu wissen, was das Ergebnis sein soll. Dazu muss man Fantasie und Erfahrung mitbringen, und nicht zuletzt die Grundlagen des Mediums kennen – sei das nun Fotografie, Illustration oder anderes. Denn auch das Generieren braucht Zeit und Können, ebenso wie das Kuratieren von Bildern, die uns die KI liefert.
Grundsätzlich ist das eine Frage der Ethik. Die meisten Generatoren wurden – um zu lernen - mit Milliarden von urheberrechtlich geschützten Bildern «gefüttert». Deshalb hat z.B. Getty Images die Firmen hinter den KI-Bildgeneratoren verklagt. Alle Nutzenden sollten sich also darüber im Klaren sein, dass sie eine Software nutzen, die dazu da ist, die Kunstschaffenden überflüssig zu machen, die sie vorher beklaut hat.
Zweiter Aspekt: Sie könnten beispielsweise ein Bild generieren, das im Stil eines bestimmten Fotografen oder Künstlers ist, sagen wir der bekannten Fotografin Annie Leibowitz. Rechtlich ist die Übernahme eines Stils zwar erlaubt, ethisch allerdings verwerflich. Rechtlich relevant wird es nach deutschem Recht möglicherweise, wenn die Künstlerin damit überflüssig gemacht wird und ihr ein Auftrag entgeht. Gleiches gilt beim Generieren von Bildern mit bekannten Menschen – siehe das Bild vom Papst im Balenciaga-Mantel. Zwar steht in den Nutzungsbedingungen der Generatoren ein gewisser Verhaltenskodex – allein, nicht jeder hält sich dran.
Bilder werden über sogenannte Prompts generiert, in denen das gewünschte Ergebnis beschrieben wird. Das kann bis in kleinste Details gehen. Dieser Prompt ist dennoch nicht urheberrechtlich schutzwürdig, denn es ist nur ein Befehl, auf den hin die Maschine das Bild frei generiert. Und die Maschine kann kein Urheber sein, sondern immer nur ein Mensch.
KI-Bilder fallen auch nicht unter den Leistungsschutz, da dieser im deutschen Gesetz nur für Lichtbilder gilt – also nur für Bilder, die mit einer Kamera, durch eine Linse oder ähnliches aufgenommen werden.
Damit KI-Künstler:innen ihre Werke schützen können, müssen sie sie weiter bearbeiten, mehrere Bilder kombinieren oder etwas Neues wie eigene Fotos einbauen. Geschützt werden kann auch ein ganzes Werk, z.B. eine Graphic Novel – aber nicht ein einzelnes, KI generiertes Bild.
Früher gab es in (Bild-)Redaktionen die sogenannten Waschzettel mit den wichtigsten Informationen zu einem Bild oder Artikel. Dieses System hat immer noch seine Gültigkeit. Hier sollte man Informationen zu den 4C unterbringen:
Ja, und zwar mit KI! Also indem man eine KI fragt, ob ein bestimmtes ein KI-generiertes Bild ist. Dafür kann man Portale wie Hive Moderation nutzen.
Zudem arbeiten verschiedene Interessengruppen daran, Klarheit zu schaffen. Beispielsweise, dass in Zukunft bei den Metadaten des Bildes ein bestimmter Code zu finden ist, der ein Bild als reales oder bearbeitetes Foto oder als künstlich generiertes Bild identifiziert. Solche Informationen können übrigens bereits heute bei den Metadaten zu jedem Bild hinterlegt werden. Adobe und viele Kamerahersteller arbeiten daran, dass Fotos direkt in der Kamera einen Stempel bekommen, der den Kopien davon später als Authentizitäts-Nachweis dient.
Google hat die «about this image» Initiative gestartet, mit der Nutzer selbst Bilder validieren und rückverfolgen können, also «Fake-Bilder» erkennen. Denn auch der Google-Index lernt über Bilder und Texte, und es liegt im eigenen Interesse von Google, dass KI-Bilder und KI-Texte den Index nicht verfälschen.
Aber Vorsicht: Wenn wir uns in Bereiche der kommunikativen Kriegsführung (Fake-News etc.) bewegen, dann sehen wir ein Wettrüsten zwischen denen, die ihre Fake-Herkunft verschleiern und denen, die sie erkennen wollen.
Die Medienproduktion wird sich ebenso verändern wie der Medienkonsum. Und zwar dramatisch. Das bringt für Content-Moderatoren neue Aufgaben mit sich. Das sind diejenigen, die das Netz von den ekligen, gesetzeswidrigen und schlimmen Bildern befreien müssen, die sich mit KI noch deutlich schneller und drastischer erstellen lassen. Medienkonsumenten werden deutlich stärker in ihrer Resilienz gegen Falschinformationen und unangemessenen Inhalten gefordert. Hier sind nicht zuletzt die Bildungseinrichtungen und auch die Kirchen gefragt.
Content Creators, Fotografen, Illustratorinnen, Grafiker und Reinzeichnerinnen werden in Zukunft nicht überflüssig, doch sie werden lernen (müssen), achtsam KI-Tools für sich arbeiten zu lassen. Damit haben sie mehr Zeit für ihre Kunden oder können schneller mehr erschaffen, beispielsweise mehrere zielgruppenspezifische Versionen eines Projektes.
Und nicht zuletzt werden wir uns in Europa mit der KI-Gesetzgebung auseinandersetzen müssen, damit es in Zukunft auch Urheber- und Leistungsschutz für KI-Bilder geben wird.
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